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Hannah Arendt die Perlentaucherin

Rede zur Benennung des Gymnasiums Haßloch nach

Hannah Arendt am

3.April 2001

Liebe Schülerinnen, liebe Eltern, liebe Kolleginnen, liebe Kollegen.

Vor Ihnen steht ein großformatiges, schlankes, hochrangendes Bild, das die Berliner Künstlerin Ruth Tesmar gemalt hat. Es zeigt die ausdrucksstarken, lebhaften und wachen Züge der Frau, die dem Gynasium in Haßloch den Namen verleiht: Hanah Arendt. Und es rahmt das Bildnis gleich dreifach mit Buchstabenfolgen ein. Die erste Buchstabenfolge fungiert als Supraporte und benennt den Namen der Porträtierten. Es folgt eine weiße Fläche, die die von Federn und Blättern umgebene Namensnennung vom eigentlich Bildnis trennt. Sodann wird der Name, diesmal von Federn fast verweht, nochmals genannt: Hannah Arendt. Der Name steht der Bennanten halb auf der Stirn geschrieben, er ist ein Teil von ihr geworden. Die Worte , die dann folgen und die sich über die unteren Zweidrittel des Bildes verteilen, geben Gedichtzeilen wieder, die Hannah Arendt einem Freund gewidmet hat, den sie nur mit seinen Inititialen benennt und der über Magie von Namen geradezu verzehrend nachgedacht hat: WB/Walter Benjamin, der sich 1940 auf der Flucht vor den Nazis das Leben nahm.
Namen haben ihren eigenen Zauber. Sie wollen und sollen mehr sein als die "normalen Zeichen, die bekanntlich nicht sehr verläßlich sind. Sprachwisssenschaftler sprechen deshalb gerne von der Arbitrarität der Zeichen. Das klingt abschreckend steil, zielt aber auf eine schlichte Einsicht. Nämlich diese: Zeichen sind willkürlich. Keine "objektif" Macht der Welt, sondern allein die Kraft der Konvention  sorgt dafür, dass Dinge, Sachverhalte und Aktionen so heißen, wie sie heißen. Der Baum könnte und kann auch tree oder arbre, das Gymnasium auch highschool oder lycée heißen. Das Theorem von der Arbitrarität der Zeichen gilt natürlich noch von den Namen. Sie werden willkürlich vergeben, ohne dass sich der bekannte Mensch oder die benannte Institution dagegen wehren könnte. Dieses Gymnasium z.B. könnte auch anders benann sein - etwa nach Lise Meitner oder Bert Brecht oder Friedrich Dürrenmatt: Wunderbare Namenspatronen mitsamt. Sie aber haben lange und gründlich über die Benenunng dieses Gymnasiums nachgedacht und sind dabei zu einem begründeten und brillianten Entschluß gekommen: Hannah-Arendt-Gymnasium.
     Zeichen haben keine sehr verläßliche Beziehung zu dem, was sie bezeichnen. Gerade weil das so ist, kennen wohl alle Kulturen Bemühungen, einen kleinen, aber besonders ausgezeichneten Zeichenvorrat zu haben, dass sie mehr sind42

Autor: Kai Kropfinger