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Abiturrede 2010 von Frau Stefanie Sauter

Sehr geehrte Damen und Herren,
liebe Eltern, Kolleginnen und Kollegen
und natürlich liebe Abiturientinnen und liebe Abiturienten.

Ich heiße Sie alle herzlich willkommen zu den 11. Abiturfeierlichkeiten hier am Hannah-Arendt Gymnasium in Haßloch.

Ich bin nun erst seit 1,5 Jahren hier an dieser Schule – Sie alle könnten wohl viel mehr über diesen Jahrgang und all seine Besonderheiten berichten! Es liegt nun aber an mir, uns auf die heutigen Feierlichkeiten einzustimmen und den diesjährigen Abiturjahrgang von dieser Schule zu verabschieden.

Auf die ehrenvolle Aufgabe der Abiturrede angesprochen wurde mir schnell bewusst, dass ich dieses Amt nicht ablehnen könne – wie auch als Deutschlehrerin?

Wir erarbeiteten im Unterricht die Rhetorik des Quintilian und ich denke hier an eine lustige Stunde im Atrium mit meinem Deutschkurs zurück, in welchem Sie mit einem Korken im Mund – wir wollen an dieser Stelle nicht erörtern, welche Weinflasche für diesen herhalten musste – die freie und deutliche Rede übten. Nun stehe ich hier und werde diese Tipps wohl selbst nicht einhalten können: Weder werde ich, wie an diesen großen Zetteln erkennbar, das Ideal der freien Rede einhalten, noch habe ich besonderen Wert auf die Fünfsatz-Methode zur Meinungsdarstellung oder auf rhetorische Stilmittel gelegt. Doch schon Da Vinci sagte: „Armselig der Schüler, der seinen Meister nicht übertrifft."

Auch wenn es sicherlich weisere und humorvollere Worte gibt als die folgenden, hoffe ich trotzdem, dass ich die richtigen gefunden habe, um diesen festlichen Rahmen mit Herz und Verstand zu begleiten.

Abios Amigos – 13 Jahre siesta, jetzt kommt die fiesta! So lautet das diesjährige Abimotto.

13 Jahre siesta? Als ich dies hörte, musste ich zunächst schmunzelnd an meine eigene Schulzeit zurückdenken und kam ins Grübeln. An eine dauerhafte „siesta“ konnte ich mich wahrlich nicht erinnern. Vielmehr aber an das Lernen, die Vorbereitungen, Enttäuschungen und Hoffnungen, Vorfreuden und Ängste - insgesamt also an viel Stress und viel Arbeit.

Estress y trabajo beschreiben wohl auch eher Ihre 13jährige Schulzeit. Auch bei Ihnen – zumindest bei den meisten - waren diese Anstrengungen besonders in Ihren letzten Schulwochen fühlbar und sichtbar. Ihre Eltern können mir dies sicher bestätigen!

Im Taumel Ihrer „endlich rum“-Partys sind diese aber vielleicht im Nebel untergegangen.
Hier also ein kleiner Rückblick: Je näher Ihre Abiturprüfungen kamen, desto größer erschien mir die Anspannung. Es wurde um die letzten Pünktchen gefeilscht, die letzten Sonderleistungen um die Noten zu bessern erbracht, schlaflose Nächte eingeplant um den Stoff doch noch zu verstehen und sogar einige Tränen der Verzweiflung vergossen.

Doch auch bei uns Lehrern stieg die Anspannung. War die Vorbereitung ausreichend und schaffen es alle? Habe ich den Stoff transparent genug dargestellt? Hoffentlich werde ich nicht krank. Hoffentlich werden die Schüler nicht krank! Hoffentlich kann ich die Aufgabe als Prüfer adäquat bestehen.

Uns allen ist bekannt, dass das Abitur die höchste schulische Qualifikation in Deutschland darstellt und Sie nun zu akademischen Graden befähigen kann. Und dieser Qualität wollten alle, Sie als Schüler auf der einen Seite und wir Lehrer auf der anderen, nachkommen. Und gemeinsam haben wir es geschafft: Ich darf Sie beglückwünschen; Sie gehören nun – statistisch gesehen - zu den 38% ihres Geburtsjahrgangs, die diesen Abschluss bestanden haben.

Und erst jetzt, da ich quasi auf der anderen Seite des Klassenzimmers stehe, sehe ich, wie groß die Bedeutung des Abiturs wirklich ist. Mir wurde bewusst, welche unheimliche Menge an Wissen Sie sich in den 13 hinter Ihnen liegenden Jahren angeeignet haben. Sie haben nicht nur Lesen, Schreiben und Rechnen gelernt – nein, Sie könnten nun beispielsweise für einen Dachdecker anhand von Vektoren eine 8-eckige Teilfläche des Daches des Speyrer Domes berechnen, oder Sie könnten mit einem spanischen Landwirt über Vor- und Nachteile der „Anti-Matsch-Tomate“ debattieren und ihm darüber hinaus auch noch die genetische Erschaffung einer solchen erläutern. Ihrem Frisör könnten Sie chemisch genau die Haftungsfunktion diverser Haarstylingprodukte erklären und auch die deutsche Volleyball-Nationalmannschaft könnte für Ihre Ratschläge bezüglich eines Trainingsplanes für Geschwindigkeit dankbar sein; ganz zu schweigen von den Dirigenten, denen Sie beim Transkripieren eines expressionistischen Klavierstückes in ein klassisches Streichquartett mit Rat und Tat zur Seite stehen könnten.

Sie können jetzt also wirklich mit Stolz von sich behaupten: 13 Jahre trabajo - wie haben es geschafft. Und ich spreche mit Sicherheit für alle hier Anwesenden, wenn ich Sie zu dieser Leistung recht herzlich beglückwünsche.

Des Weiteren wurde mir bewusst, dass ich nie wieder so viele Einblicke in so vielen unterschiedlichen Wissenschaften besaß wie zur meiner Abiturzeit. Ich denke, den meisten meiner Kollegen geht es ähnlich. Es ist nun aber an Ihnen, dieses differenzierte Wissen aktiv einzusetzen, es nicht zu einem trägen Wissen verkommen zu lassen, es anzuwenden, zu vernetzen und in Ihren zukünftigen Fachrichtungen zu vermehren – kurz, es weise und geschickt zu nutzen, um zu den neuen Global Playern der Gesellschaft von morgen zu werden, wie es in Ihrer Abizeitung zu lesen ist.

Doch auch der Zahn der Zeit wird an Ihrem Abiturwissen nagen. Aber keine Bange, das wichtigste Handwerkszeug, was Ihnen das Gymnasium mitgeben konnte, werden Sie nicht verlernen: Strategien, Wichtiges von Unwichtigem zu unterscheiden. Dies ist wohl heute, da wir jederzeit, google sei dank, auf ein globales, komplexes und teilweise unüberschaubares Wissen zurückgreifen können, eine der großen Kompetenzen, welche Schule vermittelt kann.

Um diese zu nutzen, können Sie auf eine weitere Fähigkeit, welche das Gymnasium ermöglichen soll, zurückgreifen: sich eigenständig neues Wissen anzueignen und somit das lebenslange Lernen voranzutreiben. Und zu einem lebenslangem Lernen möchte ich hier nicht nur die kognitiven, sondern auch die emotionalen Qualifikationen zählen, welche Sie beherrschen.  

Sie alle wissen, wie Sie mit Ihrem eigenen Können umzugehen haben, wie Sie auch einmal Versagen verarbeiten können und dass Sie die Fehler eben nicht nur bei anderen, sondern vor allem auch bei sich suchen sollten. Diese weitere Kompetenz, welche wir uns in unseren vielfältigen sozialen Umfeldern angeeignet haben, ist wohl sehr hoch einzustufen, wenn wir uns an das Scheitern von Jugendlichen und dessen mitunter schlimme Folgen erinnern.

Jetzt werden Sie bald alle Teile neuer sozialer Umfelder sein und ich wünsche Ihnen, dass Sie auch dort das gleiche Vertrauen und die gleiche Verlässlichkeit wie im System Schüler – Eltern – Lehrer wiederfinden und vor allem auch weitergeben können.

Viele von Ihnen wissen bereits genau, wie ihre Zukunft aussehen soll; kennen schon ihren neuen Studienort, haben ihren Ausbildungsvertrag in der Tasche oder erkunden erst einmal die weite Welt. Immer wieder aber werden Sie sich umorientieren und neue Erkenntnisse für sich hinzugewinnen, Sie werden Rückschläge erleben und sich auch wieder aufrappeln können.

Es ist ein teilweise harter Weg der für ein sechsjähriges Kind beim Eintritt in die Schulzeit beginnt; für Sie begann vor 13 Jahren eine neue Herausforderung, ein Schritt in eine neue, größere Welt. Jetzt, als junge Erwachsene, wird die Welt für Sie noch größer werden und Sie werden auf neue Herausforderungen stoßen – zur Bewältigung dieser haben Sie sich in den letzten 13 Jahren das Handwerkszeug angeeignet. Denn eines muss Ihnen bewusst sein wenn Sie nun bald das Leben außerhalb dieser schutzbietenden Mauern kennenlernen: Sie müssen Ihre Fähigkeiten erweitern, müssen flexibler und oft leider auch angepasster werden, müssen noch stärker lernen im Team zu arbeiten – und dies wohl möglich mit Wildfremden oder mit unsympathischen Weggefährten.

Sie werden sich größeren Interessen unterordnen oder auch einmal selbst, entgegen dem eigenen Naturell, delegieren müssen. Sie werden ab jetzt die volle Verantwortung für Ihr Handeln und auch für Ihr Scheitern tragen.

Das Abiturzeugnis wird auch als Reifezeugnis bezeichnet. Dies allerdings wird sich für einige von Ihnen erst noch beweisen müssen!

Aber jetzt erst mal nur noch fiesta!

Bei unseren gemeinsamen Wandertagen, Kursabenden und unserer Studienfahrt an den Gardasee habe ich nicht den Eindruck gewonnen, dieser Wahlspruch hätte erst jetzt eine Gültigkeit für Sie.
Sogar in unserem normalen Schulalltag schwang oftmals bei dem eine oder anderen ein verstärktes Partyfeeling mit.

Denn was wäre die Schulzeit ohne fiesta? Nur triste Routine! Sie haben den Alltag an unserer Schule bunter gemacht – Sie waren in diversen Arbeitsgemeinschaften aktiv engagiert, sei es im Chor, im Orchester, in der Theater-AG, in der Technik-AG und in den vielen weiteren. Mit Ihrem Elan haben Sie die fiesta an dieser Schule mitgestaltet und somit gemeinsam mit den Kollegen, Ihren Mitschülern und natürlich auch mit Ihren Eltern Schule gelebt und gefeiert!

Für Ihre weitere Zukunft wünsche ich Ihnen allen viele Möglichkeiten auch an Ihren neuen Wirkungsstätten den Alltag ein Stückchen in eine fiesta zu wandeln, sich also positiv einzubringen und die Welt mitzugestalten. Nutzen Sie diese Möglichkeiten so oft und so intensiv wie möglich – es wird sich auszahlen!

Abitur kommt vom lateinischen Wort abire, also davongehen bzw. von abiturire - also abgehen - und somit bedeutet dies auch, dass Sie nun tatsächlich das Hannah-Arendt-Gymnasium verlassen werden- ob Sie wollen oder nicht- und sich unsere und vielleicht auch einige Ihrer Wege daher trennen. Mein Weg mit Ihnen war ein sehr kurzer, aber trotzdem habe ich gemeinsam mit Ihnen viel erlebt.

Ich werde positiv an diesen Jahrgang zurückdenken mit vielen bunten Bildern und Eindrücken vor Augen: an Jugendliche, die immer mehr zu Erwachsenen wurden; an ernsthafte persönliche Gespräche, an unterrichtliche Diskussionen und Auseinandersetzungen auf Augenhöhe, an pfälzische Gemütlichkeit und an Humor; an gute Kuchen, die den Schulalltag versüßten und natürlich besonders an unsere gemeinsame Studienfahrt an den Gardasee.

Vor 1,5 Jahren wurde ich zum ersten Mal mit der Aufgabe konfrontiert, Fast-Erwachsene zu unterrichten und diese später sogar zum Teil im Abitur zu prüfen. Ich muss zugeben, diese Herausforderung schien mir zu Beginn unbezwingbar, hatte ich doch – zumindest gefühlt – eben selbst erst mein Abitur bestanden. Doch durch Sie konnte ich mich jetzt noch einmal an meine eigene Abizeit mit all ihren Hochs und Tiefs erinnern – schön wars! Behalten Sie diese Zeit immer in Ihren Gedanken, denn sie gehört zu den aufregendsten und schönsten Zeiten Ihres Lebens – auch wenn wir Sie eigentlich alle nicht mehr wieder erleben wollen!

Ich bedanke mich bei Ihnen für meist schöne, lustige und interessante 1,5 Jahre, in denen Sie meinen Start am Hannah-Arendt-Gymnasium mitgestaltet haben – all den Ärger über Sie und den von Ihnen verursachte Stress habe ich mittlerweile schon fast vergessen – zurück bleiben die positiven Seiten. Und so hoffe ich, dass auch Sie immer mit einem lachenden Auge auf Ihre Schulzeit am HAG zurückdenken werden, an Ihre Mitschüler und auch an Ihre Lehrer, die Sie in diesen 9 Jahren, die Sie als „siesta“ bezeichnen, begleitet, gefördert und gefordert haben und immer wieder mit den ungewöhnlichsten Mitteln Ihre Motivation steigern wollten, um Sie zu dem Ziel zu bringen, für was Sie heute ausgezeichnet werden.

Für Ihre weitere Zukunft wünsche ich Ihnen, dass Sie diese nicht als siesta bezeichnen müssen, dass Sie sich Ihrer Arbeit und Anstrengungen bewusst sind und selbst auch die Initiative ergreifen. Bleiben Sie einzigartig oder werden Sie es, verfolgen Sie Ihre Ziele mit aller Beharrlichkeit und großer Motivation, glauben Sie an Ihre Träume, aber vegessen Sie hierbei nicht die Menschen, die Sie auf Ihrem weiteren Weg treu begleiten oder denen Sie begegnen werden. Denn ohne diese gibt es keine fiesta!

Abios Amigos, 13 Jahre trabajo - jetzt kann erst einmal die fiesta kommen! Für Ihre große fiesta am heutigen Abend wünsche ich Ihnen viel Erfolg und viel Spaß!

Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!   

Autor: Tobias Grehl