Abiturrede 2014 - Norbert Fuchs
Sehr geehrte Eltern und Gäste,
liebes Kollegium,
liebe Schülerinnen und Schüler,
vor allem aber liebe Abiturientinnen und Abiturienten des Jahrgangs 2014!
Ich begrüße Sie zur heutigen Abschlussfeier, bei der sich unsere jungen Damen und Herren fragen mögen, warum einem all die netten Menschen, die einem für die Zukunft so viel Gutes wünschen, in den vergangenen Jahren immer wieder solche Schwierigkeiten gemacht haben.
Nun: Als einer dieser netten Menschen, so hoffe ich, begrüße ich den 15. Abiturjahrgang, der 2005 mit 114 Schülerinnen und Schülern startete, und beglückwünsche heute 48 Abiturientinnen und 38 Abiturienten zu Ihrem bestandenen Abitur mit einem durchschnittlichen Notenwert von 2,5, welches Sie sich nach 3161 Tagen in 350 Wochen Unterricht und zahlreichen Überprüfungen redlich verdient und sicherlich in den allermeisten Fällen auch hart erarbeitet haben: meinen und unseren Glückwunsch!! (und meinen Dank an Herrn Jung für die Zahlenübersicht).
Die Rheinpfalz hat Sie, unsere heutigen „Reifeprüfungsempfänger", in der Ausgabe vom 22. März als „eine Generation von Pragmatikern“ bezeichnet, die nur zu einem kleinen Teil die Möglichkeiten der digitalen Medien für die Flucht aus der Wirklichkeit in Spielwelten gebrauche, während sich die große Mehrheit der Leistungswilligen mit aller Welt vernetze und die neuen Informationsmöglichkeiten nutze, sehr bewusst der einfachen Tatsache, dass ohne gute Schulabschlüsse die Arbeitswelt sehr schwer werde (Zitat Ende).
Dies ist sicherlich nicht das schlechteste, was man über junge Menschen sagen kann, und persönlich halte ich das für sehr erfreulich.
Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob eine Gesellschaft intelligenter wird, je mehr junge Menschen das Abitur machen.
Wir wissen auch nicht, ob eine Gesellschaft dadurch besser wird. Was wir wissen, ist sicherlich, was Bildung nicht ist:
a) Jahreszahlen von Schlachten
b) Zitate großer Männer
c) Wenn man Zusammenhänge sieht, wo keine sind
d) Die Unfähigkeit, kurze Sätze zu bilden
e) zwei linke Hände
f) oder gar das Überblättern der Sportseiten in der Zeitung.
Der klassische Bildungsbegriff versteht Bildung als das reflektierte Verhältnis zu sich selbst, zu anderen und zur Welt.
Der moderne Bildungsbegriff steht für den lebensbegleitenden Entwicklungsprozess des Menschen, bei dem er seine geistigen, kulturellen und lebenspraktischen Fähigkeiten und seine personalen und sozialen Kompetenzen erweitert.
Gemeinsam verbindet beide Begriffe das lebenslange Lernen, welches heute einen weiteren erfolgreichen Höhepunkt erreicht hat, und, da bin ich mir sehr sicher, bei vielen von Ihnen von nachfolgenden Erfolgen begleitet sein wird.
Und wo bleibt da die Lebenserfahrung? Nun, mit der ist es wie mit einer Monatskarte: nicht übertragbar!
Ihr Abi-Motto „Abi-Potter: 13 Jahre voll de Mord“ mag Ausdruck von Erleichterung sein, diese sicherlich auch fordernde Zeit mit Zitat „gefühlten 2000 Kursarbeiten“ erfolgreich abgeschlossen zu haben.
Aber es war, und dessen bin ich mir ebenso sicher, eben auch eine Zeit der Gemeinschaft, der Freude und Abwechslung, eine Zeit von Kursfahrten nach Prag, Amsterdam und Wien an einer Schule, die eben nicht nur fordert, sondern auch die zukünftigen Absolventen fördern und unterstützen wird, dessen bin ich mir sicher, zumal, diese persönliche Anmerkung sei mir hier gestattet, wenn ich auf so zahlreiche offene, freundliche, leistungsbereite und auch tolerante Schülerinnen und Schüler treffe, nicht nur, aber besonders in meinen beiden Leistungskursen: Es hat, bei allem Ernst, mit Ihnen auch ganz einfach Spaß gemacht!!
Nun, ich denke, damit ist das Wichtigste gesagt, aber so leicht möchte ich es mir und Ihnen dann doch nicht machen, deshalb hier in aller Kürze (und wenigen Stunden) doch noch drei Appelle an Sie meinerseits:
1. Verändern Sie sich!!
Nun, das mag ungewohnt klingen, ist aber ganz ernst gemeint:
Ich meine nicht Ihren Charakter, sondern ich möchte Sie ermutigen: entdecken Sie die Welt, ergreifen Sie Chancen, riskieren Sie „Niederlagen“ und haben Sie den Mut, sich Veränderungen auszusetzen, aber auch, und das ist die andere Seite der Medaille, widerstehen Sie dem Ruf nach bedingungsloser Flexibilität und vergessen Sie nicht ihre Wurzeln, Familie und Freunde, denn diese sind es, die Ihnen in einer fast unüberschaubaren Komplexität von Welt Orientierung und Halt bieten sollten und hoffentlich auch werden.
2. Seien Sie Sie selbst!!
Die Nachfolgerin von Hannah Arendts Lehrstuhl in New York wurde 1986 Agnes Heller, die heute zu den bedeutendsten Philosophinnen des 20. und 21. Jahrhunderts gehört. Ich zitiere hier aus einem Interview mit dem Magazin der Süddeutschen Zeitung vom Januar dieses Jahr (und damit, so hoffe ich, habe ich wie üblich im Unterricht auch hier werben können für dieses „nichtdigitale Medium mit den schweren Wörtern“ für alle Menschen über 30 oder darüber hinaus):
Agnes Heller antwortet auf die Aussage, im Grunde sei Sie ihr Leben lang doch ein Außenseiter gewesen, wie folgt (ich zitiere):
„Ich ziehe Energie und Glück daraus. Und solange ich im Einklang mit meinem Charakter handle, fühlt es sich richtig an. Wer anfängt, sich selbst zu belügen, wird notwendigerweise unglücklich. Man muss seinem Charakter entsprechend handeln, auch wenn am Ende eine Niederlage steht, weil die Alternative eine größere Niederlage wäre“. (Zitat Ende).
Ich denke, dem ist nichts hinzuzufügen.
3. Bekennen Sie Farbe!!
Das heutige Reifezeugnis bescheinigt Ihnen auch die Fähigkeit und das Vermögen, reflektiert und eigenverantwortlich denken und handeln zu können (auch wenn dies im Einzelfall –dies soll vorkommen - weniger stimmen mag).
Zumindest, und das lassen Sie mich hier auch deutlich sagen, eine Warnung der Geschichte sollten Sie ernst nehmen:
Die Übeltäter, seien es im Großen historische Verbrecher oder im viel Kleineren der eben Nicht-Bekennende, randalierende und schädigende Jugendliche und Mensch: sie alle fühlen sich motiviert durch eine Masse, eine große, mehrheitliche Zahl all derer, die da sagen: „ich weiß von nichts“ oder „da kann ich leider auch nichts machen“ oder, auch sehr beliebt, „da halte ich mich lieber raus“.
Man kann ein solches Verhalten auch so ausdrücken wie Albert Einstein:
„Um ein tadelloses Mitglied einer Schafherde sein zu können,
muss man vor allem ein Schaf sein“.
Nun, diese drei Wünsche
- Verändern Sie sich!
- Seien Sie Sie selbst!
- Bekennen Sie Farbe!
mögen Sie begleiten, denn, und dies habe ich auch bereits in meiner Rede vor 7 Jahren betont:
Es ist der ganze Mensch, der zählt. Was Ihnen noch in Ihrem Leben zustoßen wird, sei es auch positiver Natur, lässt sich trotz aller guter Wünsche nicht vorhersagen.
Wir, das Kollegium, wünschen Ihnen eine spannende, aufregende, aber sicherlich auch lehrreiche Zukunft, die viele Wege kennt und für Sie bereithält, solange Sie offen und neugierig sind, denn wie sagt schon das bekannte Sprichwort:
„Umwege erweitern die Ortskenntnis“
oder, um mit Hegel zu sprechen:
„Nichts kommt ohne Interesse zustande“.
Und auch die Schule mag da so ein Ort gewesen sein, an den man sich erst dann mit Vergnügen erinnert, wenn man ihn verlassen hat.
In diesem Sinne: Feiern Sie morgen mit Ihren Eltern, Großeltern, Geschwistern, Freunden und Mitabsolventen einen festlichen, fröhlichen, ja gelungenen Abiball ohne Alkoholexzesse und keine Sorge: ich werde bis zum Schluss anwesend sein und tapfer, aber auch gerne und hilfreich mit Ihnen feiern.
Alles Gute für Ihren weiteren Lebensweg!
Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit!