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Schüleraustausch mit Kluczbork 2014/15 -
Teil 1 in Kreisau im Oktober 2014

Der Schüleraustausch mit unserer Partnerschule in Kluczbork (Polen) erfreute sich bei den Schülerinnen und Schülern auch in diesem Schuljahr weiterhin großer Beliebtheit. Scheinbar hat es sich „rumgesprochen“, dass dieser ein einmaliges Erlebnis bietet, unsere europäischen Nachbarn im Osten besser kennen und verstehen zu lernen. Dieses Jahr wurde eine ausgewählte Gruppe von 15 Schülerinnen und Schülern von Frau K. Neukam und Herrn J. Jung in der letzten Woche vor den Herbstferien sowie den ersten Ferientagen begleitet.

Konzept

Der Fokus bei diesem Austausch liegt – wie bereits in den letzten Jahren – nicht nur auf der Begegnung und dem Kennenlernen mit Jugendlichen aus einem anderen Land. Ziel ist es, die wechselhafte Vergangenheit gemeinsam aufzuarbeiten und durch den direkten Kontakt gegenseitige Vorurteile abzubauen, um damit die europäsiche Integration aktiv zu fördern.

Um diese Prozesse zu unterstützen, wird seit letztem Jahr auf die gemeisame Arbeit auf dem Gut Kreisau gesetzt – einer internationalen Jugendbegenungsstätte in historischen Mauern.

Das Landgut der Adelsfamilie von Moltke war in Zeiten des deutschen Nationalsozialismus Keimzelle einer Widerstandbewegung, die bereits zu dieser Zeit eine Idee eines „Europas der Bundesstaaten“ entwickelte (Kreisauer Kreis). So erklärt sich auch, dass diese Stätte im November 1989 Ort der deutsch-polnischen Versöhnungsmesse war, welche der amtierende polnische Ministerpräsident Mazowiecki und der deutsche Kanzler Dr. Kohl als Symbol der Annäherung beider Staaten gemeinsam zelebrierten. Zeuge dieses politischen Umbruchs ist ein auf dem Gutsgelände ausgestelltes Stück der Berliner Mauer.

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Im Schloss und den Wirtschaftgebäuden des Gutes spüren alle Beteiligten schnell, dass sie an einer bedeutsamen Stätte für beide Nationen sind. Unsere gemeinsame Geschichte wird dort im Rahmen von Workshops und gemeinschaftlichen Erlebnissen aufgearbeitet. Dieses Jahr gehörten auch zwei Exkursionen dazu. Sie gingen nach Breslau und zum Konzentrationslager Auschwitz.

Ein weiterer großer Vorteil des Gutes Kreisau ist, dass die Schülerinnen und Schüler die komplette Zeit zusammen verbringen und sich somit ideal kennenlernen können, da sie alle gemeinsam auf dem Gut untergebracht sind. Damit aber auch die reale Begegnung mit der Heimat und dem Leben unserer polnischen Freunde stattfinden konnte, wurden die letzten zwei Tage – nachdem man sich intensiv kennengelernt und gearbeitet hatte – in Kluczbork verbracht.

Umsetzung

Nachdem eine lange Anreise mit einem europäischen Linienbus von Mannheim nach Legnica überstanden wurde, folgte in den frühen Morgenstunden noch eine zügige Fahrt mit einem gecharterten Kleinbus bis zum Gut Kreisau.

Für diese mühsame Anreise entschädigte aber bereits der erste Morgen, als die Morgensonne unsere beeindruckende Unterkunft in ihren Dimensionen erleuchtete.

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Nachdem Schlaf nachgeholt wurde, stand das erste Essen in der eigenen Mensa an. Es wurde von der Gruppe lobend festgestellt, dass hier auch landestypische Gerichte auf den Tisch kommen und man scheinbar komplett auf „Fertigprodukte“ verzichtet. Auch die in den Folgetagen bereitsgestellten Lunchpakete boten so einige kulinarsiche Überraschung, die interessiert angenommen wurde. Gegen Nachmittag kamen dann auch unsere Partner an und es fand ein erstes Kennenlernen mit Spielen statt, was durch einen gemeinsamen Sportabend intensiviert werden sollte. Die sprachliche Barriere wurde äußerst schnell überwunden.

Dies zeigte sich daran, dass man bereits wenige Stunden später in gemischter Runde den Abend verbrachte und voller Begeisterung gemeinsam deutsche Schlager (!!!) sang (Helene Fischer, Mickie Krause, etc.).

Am nächsten Tag folgte ein Workshop bestehend aus Integrationsspielen, einem Europabingo und einer Sprachanimation, sodass spätestens nun auch bei uns Pfälzern die ersten polnischen Worte verinnerlicht wurden („Cisza“).

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Nach dem Mittagessen folgte eine Rallye durch das Gut, Dorf und nähere Ländereien, sodass alle mit ordentlichem Appetit am Abendessen teilnahmen. Anschließend ging es noch durch finstere Nacht in das „Berghaus“, in dem man sich bei Kerzenschein gegenseitig einige Exemplare der Abschiedsbriefe vorlas, welche Freya und Helmuth James von Moltke wechselten, während er auf seine Hinrichtung durch die Nazis wartete. Anhand dieser Dokumente lernte man die Ideen und die geschichtliche Deutung dieser Widerstandkämpfer kennen und konnte die bedrückende Stimmung in Ansätzen nachempfinden.

Am nächsten Tag erkundeten beide Gruppen zusammen Breslau. Eine deutschsprachige Stadtführerin unterstützte uns dabei und erklärte, welche Prägung die Universitätsstadt erlebte, als sie Teil Deutschlands war, welche bedeutenden Gebäude in der Stadt zu finden sind, wie tief die Widerstandsbewegung gegen den Nationalsozialismus, aber auch der Protest der Solidarnosc, mit der Stadt verknüpft waren. Besonders beeindruckend war das „Panorama von Raclawice“, ein über 1700m² großes Gemälde einer Schlacht zwischen Russland und Polen gegen Ende des 18. Jahrhundert.

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Am Abend fiel ein geplantes Lagerfeuer leider buchstäblich ins Wasser, dafür stellte man sich im Rahmen eines „Internationalen Abends“ gegenseitig Heimatland und Region mit einer eigens angefertigten Computerpräsentation vor und unterstütze diese Eindrücke noch mit vielen kleinen Kostproben der landestypischen Produkte. Seitdem standen polnische Softbonbons „hoch im Kurs“.

Die zweite Exkursion führte uns zum Symbol der schwärzesten Stunde deutscher Geschichte - dem Konzentrationslager Auschwitz/Birkenau. Dieser Tag wird wohl von keinem Teilnehmer der Fahrt jemals vergessen werden, dafür waren die Eindrücke einfach zu intensiv. Am Abend fasste ein Schüler den Tag äußerst treffend zusammen, indem er sagte: „Dies war das bedrückenste Erlebnis in meinem ganzen Leben, aber ich finde es total wichtig, dass ich diese Erfahrung gemacht habe.“ Am nächsten Tag tauschten sich die beiden Gruppen dann über ihre diesbezüglichen Erfahrungen aus und versuchten herauszuarbeiten, welchen Einfluss das Gedenken auf unser heutiges Handeln haben darf und haben sollte.

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Am vorletzten Tag verließen wir die lieb gewonnene Unterkunft in Kreisau und reisten nach Kluczbork, wo die Schülerinnen und Schüler nun auch die Familien ihrer polnischen Partner kennnenlernten.

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Man verstreute sich jedoch nur kurz im beschaulichen Städtchen, denn am Abend hatte unsere Partnerschule ein gemeisamens Grillen mit selbst eingelegtem Fleisch und selbstgemachten Salaten organisiert. Leider ergoß sich nach wenigen trockenen Minuten ein sintflutartiger Regenguß über uns, sodass wir mit waghalsigen Konstruktionen versuchten den Grill zu schützen, um ihn letztlich unter ein Vordach zu tragen, welches uns als Aufenthalt diente. Nachdem die nasse Kleidung am offenen Feuer getrocknet war, wurde es auch gemütlich und man gestaltete die gemeinsame Zeit mit einer äußerst amüsanten polnischen Version von „Herzblatt“.

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Unseren letzten Tag verbrachten wir mit einer Stadtrallye durch Kluczbork. Nachdem gemeinsam zu Mittag gegessen wurde, stand nochmal etwas Freizeit auf dem Programm. Schnell zeigte sich jedoch, dass die Schüler kein Interesse daran hatten in vereinzelten Gruppen etwas zu unternehmen, sodass sie spontan alle zusammen die letzten Stunden des Austausches mit einer Wanderung zum nahe gelegenen malerischen Stausee verbrachten.

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Für die meisten Teilnehmer des Austausches ist in diesen wenigen Tagen mehr passiert, als nur Schülerinnen und Schüler aus einem anderen Land kennen zu lernen. Man hat zusammen gearbeitet und versucht sich zu verstehen, Freundschaften wurden geknüpft, Besuche auch außerhalb des schulischen Rahmens verabredet. Am deutlichsten wurde die Intensivität der geschlossenenen Bande am Busbahnhof, als wir unseren Reisebus betraten, denn „Tränen lügen nicht“.

Wir freuen uns auf den Rückbesuch im Sommer und versuchen mindestens ebenso gute Gastgeber zu sein, wie unsere polnischen Freunde!

Autor: Julius Jung